Als post scriptum noch meine persönliche Einschätzung von Frei.Wild: mag sein, daß mir diesbezüglich die Rezeptoren fehlen, aber ich kann dem Projekt rein gar nichts abgewinnen. Stinknormaler Gebrauchs- und Schweinerock, mal hart-prollig, mal sentimental, angestrengtes Rumposieren, Onkelz-Epigonentum eben (die auch schon gräßlich waren). Inhaltlich finden Texte wie "Wahre Werte" freilich meine Zustimmung, das ändert aber nichts an ihrer Holprigkeit und Hölzernheit (was auch, soweit ich sehen kann, für den Rest der Frei.Wild-Texte zutrifft). Die "Message" kommt viel zu direkt und agitpropartig rüber, und das schadet sowohl ihr als auch dem Rock. Generell finde ich, daß "Botschaften" schlecht zu Rockmusik passen, in der es in erster Linie um den expressiven Ausdruck von Emotionen geht. Insofern sind Frei.Wild gut beraten, mehr die unpolitische Schiene einzuschlagen.
Das Emotionale spielt beim Rock überhaupt eine entscheidende Rolle, vor allem, wenn die Musik mit einer bestimmten Szene und ihrem Lebensgefühl verknüpft ist. Wenn man einmal in so eine Szene involviert war, kann man kaum mehr objektiv bleiben, und hält die eigene Mucke für die beste der Welt. Es gibt viele Neofolk- oder Gothrock-Songs, die in mir starke Emotionen wecken, von denen mir aber nicht im Traum einfiele, sie nun trotz einzelner genialer Höhepunkte objektiv für Spitzenwerke zu halten, so sehr ich sie liebe: Death in June ist eben nicht Joy Division und Douglas P. ist nicht Scott Walker, und Allerseelen nicht Portishead oder Massive Attack. Aber mit "Kult" läßt sich eben nicht diskutieren, die Wirkung spielt sich auf ganz eigenen Ebenen ab.
Noch zum Rechtsrock/RAC: im Gegensatz zum artverwandten Punkrock ist er eben doch ein Nischenprodukt geblieben, und hat sich stark zur reinen "Message"-Musik entwickelt. Da kommt es dann zu skurrillen Erscheinungen wie der fast schon bizarr untalentierten "deutschen Mutter" Anett, die aber offenbar vieles an- und ausspricht, was ihre Klientel bewegt, eine Art Star "wie wir", zum "Anfassen", da wird die Musik zweitrangig. Ähnlich verhält es sich mit Frank Rennicke, der außerhalb seiner Szene eine unsägliche Lachnummer ist. Die vielleicht einzige Band aus dem Genre (neben Landser), die auch außerhalb ihrer Kreise gehört wird, ist Skrewdriver, und das hat wohl mit ihrer Berüchtigtheit ebenso zu tun, wie mit ihrem frühen Punkrock-Kultstatus und ihrem Talent, einigermaßen flotte Rocksongs zu schreiben. Aber trotzdem ist das eine minderwertige Angelegenheit: stumpfsinnig-verblödete bis kitschige Naziglorifzierung und prolliges Herumgegröhle, das in der Folge das ganze Genre geprägt hat, und nach außen eher abstossend wirkt, mitunter mit voller Absicht. Wie schlecht die Lieder von Skrewdriver sind, wird in den nervtötend prätentiösen und glatt gebügelten Cover-Versionen von Saga vielleicht erst so richtig deutlich.
Dagegen habe ich noch keine Rechtsrockband gesehen, die musikalisch und textlich so geniale Nummern wie "Holiday in Cambodia" oder "California Uber Alles" von den Dead Kennedys oder "Bloody Revolutions" und "Shaved Women" von Crass oder "Thieves" oder "NWO" von Ministry produziert hätten, deren Appeal weit über ein einschlägiges politisches Klientel hinausreicht. In Italien und Frankreich gibt es da einige Ansätze mit ZetaZeroAlfa und Hotel Stella oder vor allem Sottofasciasemplice, die ziemlich komplexe und poetische Texte haben. Andererseits gibt es Bands wie Type-O-Negative oder Rammstein, die Welterfolge eingefahren haben, zum Teil von einer "rechten" Aura leben und mit diversen unkorrekten Seitenhieben schockten. Aber auch hier verdankt sich der Erfolg vor allem dem unbestreitbaren Können (neben dem freilich cleveren Marketing).
Zuletzt: es ist nicht unbedingt, die Band oder der Sänger am "deutschesten", der ständig über Deutschland oder Patriotismus usw. singt, bis es einem zum Halse herausreicht. Das gilt für alle anderen Länder auch, Frankreich, Italien, Spanien... Wesentlich ist, daß die Musik die <i>"Seele"</i> des Landes und der Sprache zum Ausdruck bringt, und das wirkt am Ende mehr als alles Agitpropgedöns.